Zeiterfassung für Lehrer?

Das Bundesarbeitsgericht hat am 13. September 2022 festgestellt, dass in Deutschland die Arbeitszeit aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist. Nach dem europäischen Arbeitsschutzrecht – daraus abgeleitet auch im deutschen Arbeitsschutzrecht – zählen Beamtinnen und Beamte ebenfalls zu den Arbeitnehmerinnen und -nehmern. Damit besteht eine Verpflichtung zur Zeiterfassung auch für Lehrer, bzw. Lehrkräfte im allgemeinen.

Was müssen Lehrerkräfte erfassen?

Maßgebend ist der Arbeitsschutz. Hier spielt vor allem die Einhaltung der Pausen am Arbeitstag und die Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche eine Rolle, die nicht dauerhaft überschritten werden darf. Zudem geht es auch um die Einhaltung der Ruhezeiten zwischen zwei Arbeitstagen von 11 Stunden.

Daher kommt es nicht darauf an was Lehrerinnen und Lehrer in ihrer Arbeitszeit tun, sondern wie lange. Detailliertes Erfassen einzelner Tätigkeiten von Lehrkräften wäre eine unzulässige Leistungs- und Verhaltenskontrolle.

Es genügt, jeweils den Beginn und das Ende einer Tätigkeit aufzuzeichnen. Dabei ist es egal, ob es sich um das Anhalten einer Unterrichtsstunde vor der Klasse oder um das Korrigieren von Klausuren abends in den eigenen vier Wänden handelt.

Status Quo

Im öffentlichen Dienst ist Zeiterfassung weitgehend etabliert. Ganz generell gilt: dort wo Gleitzeitmodelle vorhanden sind, ist eine Zeiterfassung oft schon im Einsatz. Durch sie hat der Mitarbeiter Kontrolle über sein Zeitkonto. Auch Überstundenentgelte spielen eine Rolle.

Ausnahmen bilden aber nach wie vor die beiden Beschäftigungsgruppen Lehrkräfte und Wissenschaftler. Hier ist jegliche Überlegung zum Thema flächendeckender Zeiterfassung in der Vergangenheit erfolgreich verhindert worden. Gerade Lehrkräfte würden jedoch aufgrund ihrer schwankenden Arbeitszeitverteilung und der an unterschiedlichen Orten erbrachten Arbeitsleistung von einer mobilen und flexiblen Zeiterfassung enorm profitieren.

Besteht eine Verpflichtung zur Zeiterfassung für tarifbeschäftigte Lehrkräfte schon heute?

Eindeutig ja. Das Bundesarbeitsgericht hat am 13. September 2022 (BAG – 1 ABR 22/21) verbindlich entschieden, dass auch in Deutschland die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist. Tarifbeschäftigte Lehrkräfte bilden hier keine Ausnahme.

Der Arbeitgeber ist nach 3 Absatz 2 Nr. 1 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann . Gemeint ist die Erfassung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, denn nur so kann der Schutz der Lehrkräfte in Sinne des Arbeitsschutzgesetzes gewährleistet werden.

Somit besteht heute grundsätzlich das Recht für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Zeiterfassungssystem einzuklagen.

Wird es Ausnahmen von dieser Verpflichtung geben?

Eher nein. Eine Neuauflage des Arbeitszeitgesetzes lässt auf sich warten. Aufruhr verursachte im April 2023 die Veröffentlichung eines Referentenentwurfs zur Reform des Arbeitszeitgesetzes (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und anderer Vorschriften). Dieser konkretisierte die Pflicht für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor dem Hintergrund des Arbeitsschutzes und gilt damit auch für Lehrkräfte.

Ein mögliches Schlupfloch könnte der im Referentenentwurf vorgeschlagene Paragraph 16 Absatz 7 Satz 3 sein: die Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit gilt nicht „bei Arbeitnehmern, bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann.“

Dies folgt der europäische Arbeitszeitrichtlinie. Die Frage ist, ob dies auch für Lehrkräfte anwendbar ist. Vom BMAS heisst es dazu als Antwort auf eine Anfrage, dass diese Ausnahmeregelung vom EuGH eng ausgelegt werden wird. Sie gelte schliesslich nur für solche Arbeitnehmer, deren gesamte Arbeitszeit (sowohl Dauer als auch Lage) aufgrund der besonderen Merkmale der Tätigkeit nicht gemessen werden kann, nicht im Voraus festgelegt wird oder vom Arbeitnehmer selbständig festgelegt werden kann.

Wenn das jedoch nur für einen Teil der Arbeitszeit gelte, finde die Ausnahmeregelung keine Anwendung. Da die im Voraus festgelegten Unterrichtsstunden einen bedeutenden Anteil an der Arbeitszeit einer Lehrkraft haben, ist nicht mit einer Ausnahme von der Verpflichtung zur Zeiterfassung für Lehrkräfte zu rechnen.

Müssen Beamte ebenfalls ihre Arbeitszeit erfassen?

Sehr wahrscheinlich ja. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts bezieht sich auf das Arbeitsschutzgesetz. Nach dem europäischen Arbeitsschutzrecht – und daraus abgeleitet auch im deutschen Arbeitsschutzrecht – zählen auch Beamtinnen und Beamte zu den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Hier steht das europäische, bzw. das abgeleitete deutsche Arbeitsschutzgesetz klar über der Gesetzgebungskompetenz des Bundes und der Länder.

Bringt Zeiterfassung Lehrern Vorteile?

Laut einer Studie der Universität Göttingen (Niedersächsische Arbeitszeitstudie für Lehrkräfte an öffentlichen Schulen (Arbeitszeitstudie) liegt die tatsächlich geleistete Arbeitszeit bei jeder untersuchten Schulform (Grundschule, Gesamtschule und Gymnasium) durchweg über der rechnerisch zu leistenden Sollzeit.

Die rechnerische Sollzeit beträgt in der Schulzeit 46:38 Stunden pro Woche. Der Einfachheit halber wird hierbei davon ausgegangen, dass die Arbeitsleitung ausschließlich in der Schulzeit erbracht wird. Die Sollzeit in der unterrichtsfreien Zeit wird also auf die Sollzeit während der Schulzeit aufgeschlagen.

Für die oben genannte Studie haben 2.900 Lehrkräfte im Zeitraum vom 13.04.2015 – 03.04.2016 täglich ihre Arbeitszeiten in ein digitales Zeiterfassungssystem eingegeben. Folgendes kam dabei heraus:

Im Durchschnitt wird an Gymnasien 3:05 Stunden und an Grundschulen 1:20 Stunden über dem Soll gearbeitet. An Gesamtschulen ergibt sich nur eine geringe Mehrarbeit gegenüber der Sollzeit.

Allein an Gymnasien kommen so etwa 50.000 unbezahlte Überstunden pro Woche zustande. Auf das Jahr hochgerechnet sind dies ca. zwei Mio. Überstunden.

Bei Teilzeitkräften ist die Abweichung von der Sollzeit noch grösser: an Gymnasien 4:07 Stunden, an Gesamtschulen 2:31 Stunden und an Grundschulen 2:00 Stunden pro Woche. Hier kommt unter anderem zum Tragen, dass nicht-teilbare Arbeit, wie beispielsweise Klassenleitung, Konferenzen oder Dienstbesprechungen, zu überproportionaler Mehrbelastung gegenüber den Vollzeit-Lehrkräften führt.

Man kann davon ausgehen, dass sich seit 2016 die Situation eher zu Ungunsten der Lehrkräfte noch verschlechtert hat. Eine Zeiterfassung für Lehrer würde die tatsächlich geleistete Arbeitszeit erfassen und für die Lehrkraft transparent machen. Schulleitung, Schulamt und Bezirksregierung währen jederzeit über Verstösse gegen das Arbeitszeitgesetz und Überlastungen einzelner Lehrer im Bilde.

Was muss eine Zeiterfassung für Lehrer leisten?

Die Zeiterfassung muss leicht zugänglich sein und Arbeitszeiterfassung jederzeit an jedem Ort zulassen. Hier bietet sich eine App für Smartphones an, die einfach aus dem entsprechenden App Store installiert und genutzt werden kann.

Wer keine App auf seinem (oft privaten) Smartphone installieren möchte, kann einen Browser nutzen. Das Installieren eines Programms entfällt also.

Die Software für die Verwaltung der Lehrkräfte sollte als Software as a Service (SaaS) bereitgestellt werden. Aufwände für Systemadministration entfallen so.

Eine Mitarbeiter-Selbstverwaltung sollte den Lehrkräften ermöglichen Ihre Zeitbuchungen und Zeitkonten einzusehen und ggf. Korrekturen innerhalb er gesetzlichen Fristen vorzunehmen. Stundenzettel sollten bereitgestellt werden.

Fazit

Eine Pflicht zur Zeiterfassung für Lehrer besteht aktuell bereits. Lehrkräfte profitieren von der Einführung einer Zeiterfassung, da sie im Schnitt Mehrarbeit leisten, die nirgendwo festgeschrieben wird. Eine Klage auf Einführung eines Zeiterfassungssystem ist wahrscheinlich erfolgreich.

Schulen können in Eigeninitiative und fast ohne Aufwand mit einem Zeiterfassungssystem wie AEONOS starten. Hier bietet sich die Husky-Version an, da sie monatlich kündbar ist und Dank Arbeitszeitmodellen das Führen von Zeitkonten erlaubt.