Zeiterfassung ist Pflicht

Durchführung ist Ländersache.

Das Urteil vom 14. Mai 2019 (Rechtssache C-55/18): Der Europäische Gerichtshof (EUGH) in Luxemburg beschließt die Einführung der Zeiterfassungspflicht für alle Unternehmen in der Europäischen Union. Wie sie durchgeführt wird, bleibt den Ländern überlassen. Sie darf aber an die Unternehmens- und Branchenbesonderheiten angepasst werden und soll ein „objektiv, verlässliches und zugängliches System“ sein.

Massive Auswirkungen auf das Arbeitsrecht

Laut Michael Fuhlrott, Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius, hat das Urteil „massive Auswirkungen auf das deutsche Arbeitsrecht“. Jedoch sollte auch bedacht werden, dass die Überstunden nach deutschem Recht bereits aufgezeichnet werden müssen (§ 16 Abs.2 S.1 ArbZG). Der Arbeitsmarktforscher Enzo Weber von dem Institut IAB erinnert daran, dass dafür die Arbeitszeiten bekannt sein müssen und somit die Erfassung der Arbeitszeiten nur ein kleiner Sprung sei.

Hintergrund zur EU-Arbeitszeitrichtlinie

Bereits im Juli 2017 trat die Arbeitnehmervereinigung CCOO, die Teil einer bedeutenden Gewerkschaft auf nationaler Ebene in Spanien ist an den Nationalen Gerichtshof heran, um die Zeiterfassungspflicht zum Schutz der Arbeitnehmer der Deutschen Bank in Spanien durchzusetzen. In Spanien wurden zu diesem Zeitpunkt mehr als die Hälfte der geleisteten Überstunden nicht erfasst.

Das Argument der spanischen Gewerkschaft: Das Recht zur Einhaltung der Höchstarbeitszeit und zur Mindestruhezeit könne genauso wie eine korrekte Überstundenermittlung ohne eine systematische Erfassung der Arbeitszeiten nicht gewährleistet werden. So auch die Ansicht des EuGH, wodurch die Arbeitszeitrichtlinie in kürzester Zeit durchgesetzt worden ist.

Der Europäische Gerichtshof fällte am 14. Mai das Urteil zugunsten der spanischen Gewerkschaft. Nun wird die Aufzeichnung der Arbeitszeiten für alle Länder in der Europäischen Union Pflicht, wobei die Erfassungsmethode nicht vorgeschrieben wird. So sollen sowohl die Höchstarbeits- und Ruhezeiten eingehalten, als auch die Durchsetzung der Rechte sowie die Kontrolle der Rechtverletzung durch Behörden und Gerichten ermöglicht werden.

Die Richtlinie in Diskussion

Schluss mit der Flatrate-Arbeit!

Mehr Schutz für die Arbeitnehmer. Es gibt allen Grund zur Freude über die neue Richtlinie. So zeigt sich zum Beispiel Annelie Buntenbach (Mitglied des DGB-Bundesvorstands) sehr zufrieden:

„Das Gericht schiebt der Flatrate-Arbeit einen Riegel vor – richtig so“. (..) „Innerhalb eines Jahres wirtschaften sich die Arbeitgeber so rund 18 Milliarden Euro in die eigene Tasche.“

Die Arbeitnehmer könnten nach Buntenbach aufgrund des permanenten Standby-Modus und die Entgrenzung der Arbeit krank werden. Auch die Gewerkschaft Verdi zeigt sich glücklich über die Entscheidung „Arbeitszeit ist in Europa keine dokumentations- und kontrollfreie Zone mehr.“ Schließlich teilt die Meinung auch die Arbeitsministerin Heil:“ Die Aufzeichnung von Arbeitszeit ist notwendig, um die Rechte der Beschäftigten zu sichern.“ Da es um Löhne und Rechte ginge, sei dies „keine überflüssige Bürokratie.“

Bürokratische Arbeit durch die Zeiterfassungspflicht?

Wo Arbeitnehmer, Gewerkschaften und Betriebsräte jubeln, sind Arbeitsgeber und Branchenverbände nicht gerade begeistert, um es milde auszudrücken. So sagt der Bund der Arbeitgeber:

„Wir Arbeitgeber sind gegen die generelle Wiedereinführung der Stechuhr im 21. Jahrhundert. Auf die Anforderungen der Arbeitswelt 4.0 kann man nicht mit einer Arbeitszeiterfassung 1.0 reagieren.“

Genauso sieht es der Arbeitgeberverband Gesamtmetall „Diese Entscheidung geht in die völlig falsche Richtung“ und Florian Nöll, der Vorsitzende des Bundesverbands Deutsche Start-ups:“Insbesondere Start-ups arbeiten nicht nach der Stechuhr wie vor 100 Jahren.“

Hier einige Bedenken:

  • Der bürokratische Aufwand wächst.
  • Die Möglichkeit zur flexiblen Arbeitszeiten wird eingeschränkt.
  • Unrealistische Anforderungen, die in der Praxis für Journalisten, redaktionelle Jobs und Agenturen schwer umzusetzen sind.

Ist das Arbeitsrecht doch eher das Problem?

Der Präsident des Branchenverbands Bitkom, Achim Berg sieht das Problem aber auch im Arbeitszeitgesetz. So fordert Berg:

„Das EuGH-Urteil macht deutlich, dass unser Arbeitsrecht zwingend modernisiert und in das digitale Zeitalter überführt werden muss. Die tägliche sollte auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umgestellt und die elfstündige Mindestruhezeit überprüft werden.“

Auch der GWA-Geschäftsführer Ralf Nöcker thematisiert eher die Verteilung der Arbeitsstunden: „Der im deutschen Arbeitsrecht – entgegen der entsprechenden EU-Richtlinie – immer noch vorgeschriebene Acht-Stunden-Tag plus obligatorischer Ruhepausen ist mit den Arbeitsbedingungen in Unternehmen wie Agenturen und Beratungen längst nicht mehr vereinbar. (…) Wohlgemerkt: Hier geht es nicht um Arbeitsmenge, sondern um Verteilung. Arbeit verteilt sich einfach heute in vielen Branchen nicht mehr linear auf Stunden, sondern fällt unregelmäßig an. Das muss die Gesetzgebung abbilden.“, so Nöckert. Weiterhin seien Zeiterfassung und kreative Arbeit „natürlich sehr wohl vereinbar“.

Die Umsetzung

Was bedeutet Arbeitszeiten erfassen?

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung verlangt von Arbeitgebern, dass sie ihre Arbeitnehmer zur Aufzeichnung ihrer Arbeitszeiten, sprich „Beginn, Pause und Ende“, verpflichtet. So soll, falls noch nicht vorhanden, eine Methode passend zu den Unternehmensgegebenheiten eingeführt werden:

  • Modern via Softwarelösung und App / Webbrowser / Chipkarte / Fingerprint
  • Traditionell via stationäres Terminal und Chipkarte
  • Altmodisch via Stift und Papier

Zeiterfassung bringt auch Vorteile

Entgegen der verbreiteten Meinung ist die Einführung einer Zeiterfassung nicht mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden. Zumindest nicht, wenn auf eine digitale Lösung gegriffen wird. Heutzutage existieren bereits so viele Lösungen am Markt, die sich für alle Unternehmen eignen und einen anderen Schwerpunkt besitzen, sodass eigentlich immer eine passende Lösung dabei ist.

Moderne digitale Zeiterfassungen benötigen kaum Installations- und Wartungsaufwand und für die Mitarbeiter praktisch keine Einarbeitungszeit. Sie stehen per Online-Vertragsabschluss in Sekunden zur Verfügung und bieten per App die Möglichkeit, Arbeitszeiten jederzeit mit einem Klick zu buchen. Sie bringen auch weitere erhebliche Vorteile mit sich. Denn sobald Zeitwirtschaftsfunktionen, Auswertungen und Schnittstellen dabei sind, kann das Unternehmen neben der schnelleren und einfacheren Zeiterfassung auch von anderen Funktionen profitieren:

  • Automatisierung zur Reduzierung des bürokratischen Aufwands
  • Erfassen von Abwesenheitszeiten
  • Führen von Arbeitszeit- und Urlaubskonten
  • Möglichkeit zur Einführung von flexiblen Arbeitszeiten durch die Führung von Arbeitszeitkonten
  • Hinterlegung von Arbeitszeitmodellen, um die Anforderungen von verschiedenen Berufsgruppen zu respektieren
  • Export an die Lohnbuchhaltung
  • Mobile und stationäre Zeiterfassung statt Stechkarte. Zeitgemäße Zeiterfassung durch Orientierung an die Mitarbeiter und ihre Gewohnheiten.
  • Viele Funktionen, die der Personalabteilung eine Auswertung der Daten ermöglichen. Wenn die Daten schon erfasst werden müssen, warum dann nicht diese für die Auswertung und Prozessoptimierung nutzen?
  • Anbindung von Zeiterfassung an andere Programme, um Daten zu empfangen und zu verarbeiten und weiterzuverarbeiten.
  • Etc.

Fazit

Nicht zu lange warten

Bislang steht noch nicht fest, wann die neue Richtlinie in Deutschland umgesetzt und zur Pflicht wird. Wer Arbeitszeiten noch nicht erfasst, sollte sich dennoch schon einmal Gedanken dazu machen, denn die Entscheidung sollte gut überlegt sein:

  • Der Markt ist nicht transparent und es gibt dutzende Lösungen am Markt. Der Auswahlprozess kann, je nach Anforderungen, etwas Zeit in Anspruch nehmen.
  • Viele Lösungen bieten eine Testphase an, die genutzt werden kann.
  • Einige Lösungen sind skalierbar. So sollte das langfristige Ziel vor der Einführung einer Methode bereits klar sein, um nicht mit gestiegenen Anforderungen erneut wechseln zu müssen und weitere Module oder auf die größere Version umsteigen zu können.
  • Viele Lösungen bieten keine oder unzureichende mobile Buchungsmöglichkeiten

Chancen für Arbeitgeber

Arbeitgeber sollten die neue Pflicht als Chance sehen. Denn neue Daten ermöglichen auch neue Auswertungen und das Zeiterfassungssystem Optimierungspotentiale. Sollte auf eine digitale Lösung zurückgegriffen werden, welche wie AEONOS Fox, Husky oder Tiger die erfassten Arbeitszeiten und Abwesenheiten den Tätigkeiten, Projekten und Standorten etc. zuordnet, können nämlich Prozesse analysiert werden. Durch die Feststellung der tatsächlich angefallenen Zeitstunden und somit der Kosten, können zum Beispiel Arbeitsschritte verbessert und Preise korrekt ermittelt werden. So muss nicht mehr auf heuristischen Werten zurückgegriffen werden, welche die tatsächlich entstandenen Aufwände nicht widerspiegeln. Oft schätzen Handwerker und Freelancer nämlich nur ihren Aufwand und konkurrieren dann mit zu hohen Preisen, die nicht wettbewerbsfähig sind oder mit zu niedrigen Preisen, welche einen Verlust verursachen. Zusätzlich können eine Personalunter- bzw. Personalüberdeckung aufgedeckt und viele Verwaltungsaufgaben, die auch ohne Zeiterfassungspflicht entstehen, vereinfacht werden.

Die neue Richtlinie erhöht zusammengefasst den Schutz für Arbeitnehmer und bietet Arbeitgebern gleichzeitig die Chance ihre Wettbewerbsfähigkeit durch eine erhöhte Unternehmenstransparenz und verbesserte Kostenermittlung zu steigern.